Seniorenwandergruppe Salenstein
Berichte
Wanderung von
Degersheim,
Fuchsacker nach St. Peterszell, 23. August 2019
Heute reisen alle Leute immer! Überall hin! Sie sind ständig auf Flughäfen, Bahnhöfen, Autobahnen. Das Reisen: Zustand täglicher Aktivität! Da wir alle ständig auf Achse sind, kommen wir gar nicht mehr an und wenn wir ankommen treibt es uns wieder auf die Beine und auf den nächsten Trip. Wir leben sozusagen auf der Durchreise oder im Transit!
Heute lenkt uns unser Wanderführer Christian Vetsch weit weg von jeglicher Reisehetze als wären wir Zugvögel, die einmal im Monat auf Wanderschaft ziehen und wo das Reisen ein wohltuendes Ereignis der Beschaulichkeit und Besinnlichkeit ist.
«Rond om Tergersche» dem St. Gallischen Degersheim, hoch zum Ausserrodisch gelegenen Fuchsacker und weiter ins Untertoggenburgische St. Peterszell. Eine Reise der Behaglichkeit mit Einkehr in der Landscheidi.
Geschichtlich bleibt zu erwähnen, dass in «Tegersche» um 1860 eine blühende Stickerei Industrie sich etabliert hatte. Firmen wie Hufenuss, Grauer und Giger exportierten ihre begehrten Produkte bis ins weite Südamerika. Über tausend Arbeitsplätze ermöglichten diese wirtschaftliche Blüte bis nach dem ersten Weltkrieg. Dann endete die «Reise der Stickerei!»
Wegen einer länger andauernden Zug-Brückensanierung über das Sittertobel waren wir gezwungen mit dem überfüllten Bus bis nach Herisau zu fahren. Die Süd-Ost-Bahn übernahm die Truppe weiter bis Degersheim. Endlich durften wir wandern hoch bis zum Fuchsacker. Vorbei an einer grossen Anzahl Baumstämmen, deren Rinde quasi von Borkenkäfer aufgefressen wurden. Bei Kaffee und Gipfeli blickten wir alle nach draussen zu den grauen, nasskalten Nebelwolken. Kein Säntis weit und breit. Eine Ansichtskarte zeigte uns den grossartigen Blick auf das Alpsteingebiet. Wandern im Appenzellerland bedeutet rauf und runter, von Kuppe zum Buckel hoch zum Höcker und über den Bergkamm hinweg. Hindurch über saftige Wiesen, im Slalom um die vielen «Appenzeller Kuh-Fläden» die den Boden mit Dünger stärken. Im dichten Nebel irgendwo auf einem Wiesenhang hallt es wie Engelsgeläut, die Glöckchen von Milchkühen. Hyänenartig wiederum Traktoren mit 8 Doppelräder und handgrossen Gummiprofilen, die darauf warten losgelassen zu werden die Wiesen wie Blut zu saugen.
Die Einkehr und das stärkende, gute Essen in der Landscheidi trösten uns über das trübe Wetter hinweg. Bier und Wein stärkte die Mannen, um die noch bevorstehenden Bergkoppeln zu meistern. Etwa zwanzig kleine, teilweise kaum auf den vier Beinen stehende «Gutschi und Muneli» erfreuen uns mit ihrer Unschuld und den Schellenklängen, die ihren Hals schmücken. Anhänglich schmiegt sich das eine oder andere an unsere Beine und nimmt genüsslich die Streicheleinheiten entgegen, da ertönt eine Mannesstimme: «Ein Metzger ist in unserer Runde!»
Wie hingestreut auf die grünen Wiesen scheinen dem Wanderer die braunen Häuser. Das ist nämlich eine der Eigentümlichkeiten der appenzellischen Wohnweise: Fast jedes Bauernhaus steht allein für sich. Der Bauer wohnt gleichsam mitten in seinem Eigentum. Sein «Hämetli» beginnt draussen bei den äussersten Zäunen und gipfelt im schmucken Bauernhaus. Der Besitzer darf darauf tatsächlich stolz sein; denn es ist eine Art Schmuckkästchen für sich.
Ankunft in St. Peterszell. Die Kirche ist direkt mit dem ehemaligen Kloster verbunden. Wertvoll bemalte Häuser schmücken das Dorf wobei eines mitten in Renovierungsarbeiten hinter Schutzbahnen versteckt ist.
Die Heimreise beginnt mit dem Postauto. Ab Brunadern übernimmt der Zug die wackeren Mannen bis Herisau. Zwei Doppellenkbusse, die bis zum letzten Platz mit Fahrgästen belegt sind, sollen uns pünktlich zum Anschlusszug nach
St. Gallen bringen. Das Fahrgastgewicht, der Feierabendverkehr, die Pendler, die Baustellen, die Ampeln verhindern das fahrplanmässige Ankommen in der Kantonshauptstadt. Um das Mannesherz zu trösten, dass eben pünktliches Reisen auch unpünktlich sein kann, werden Brezel und Bier als Tranquilizer bis zur nächsten Zugabfahrt konsumiert.
Zwei Gruppen haben Christian und Carlos so koordiniert, dass sie mal zusammen, mal getrennt die Reise und das Wandern erleben durften. Eine wahre Meisterleistung der Reiseorganisation.
Text: W. Dierauer, 23.08.2019
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